Zur Situation der „Barrierefreiheit im ÖPNV“ wollte Evag-Vorstandschef Horst Zierold gestern im Sozialausschuss Stellung nehmen – doch Benjamin Thomas kam ihm zuvor. Der auf den Rollstuhl angewiesene junge Mann ist Mitglied im CDU-Ortsverband Rüttenscheid und berichtet regelmäßig zum Thema. Eine besonders unangenehme U-Bahn-Fahrt schilderte er gestern. „Ich wollte von der Martin¬straße zum Hauptbahnhof und habe dafür mehr als eine Stunde gebraucht.“
Mehrere kaputte Aufzüge bremsten ihn aus, schließlich musste er statt in die Stadt zur Gruga fahren, denn teils war nur in eine Richtung ein Aufzug in Betrieb, so dass ungewollte Umwege und Weiterfahrten die kurze Strecke zu einer langen Reise werden ließen.
Der Evag-Vorstand fügte dieser Schilderung beinahe frustriert hinzu, dass man mit den „Aufzugherstellern langsam Fraktur reden muss.“ In krassem Gegensatz zu den High-Tech-Aufzügen an Bahnhöfen habe man am Evag-Sitz einen Aufzug aus den 60er Jahren „und der funktioniert brav.“ Will sagen: Es kann funktionieren – nur eben nicht an Bahnsteigen, wo die Ausfälle die ohnedies katastrophale Bilanz der Evag noch weiter verhageln. „Nur 20 Prozent der Haltestellen sind barrierefrei.“ Eine Situation, die schwer erträglich, die für Zierold persönlich blamabel sei.
Umso mehr, als er auf die Fragen der Ausschuss-Mitglieder nach weiteren Bahnsteignachrüstungen nichts Konkretes vorlegen konnte. Da beim Bau der U-Bahn in den 70er Jahren nicht daran gedacht worden sei, Möglichkeiten zur technischen Nachrüstung von Aufzügen zu schaffen, stehe man jetzt technisch wie wirtschaftlich vor großen Problemen. Womit Zierold aber auch sagt – die Forderungen nach einer Lösung liegen nicht erst seit gestern auf seinem Tisch.
Deutlich wird das Problem auch an Philharmonie und Messe, an der Universität, am Hirschland- sowie am Bismarckplatz und an der Planckstraße, wo Aufzüge und damit Barrierefreiheit fehlen. Zwar lassen sich für Mütter mit in der Regel leichten Kinderwagen und Menschen, die auf einen nicht eben schweren Rollator angewiesen sind, helfende Hände zur Überbrückung der Treppen finden. Menschen mit einem Rollstuhl dort hochzutragen, wird schwierig – und gefährlich. Ein Begleitservice an den Treppen soll es nun richten, wenn die Aufzüge ausfallen, eine Hotline nebst Internet-Infotafel wird voraussichtlich im November geschaltet. Dort können sich Menschen über den Stand der Barrierefreiheit laufend informieren – oder Störungen melden.
Die Mitglieder des Sozialausschusses plädierten unisono dafür, einen Arbeitskreis einzurichten, der kontinuierlich über die Baufortschritte zur Nachrüstung informiert wird. Der Evag-Vorstand sagte Mitarbeit zu.
Zitat: Wir müssen mit den Aufzugherstellern langsam Fraktur reden
Zitat: Im November werden wir eine Hotline schalten
(Quelle: http://service.derwesten.de/zeitungsarchiv/detail.php?query=1320969442795&article=1&auftritt=WAZ)